Mit One-Way-Ticket nach Santiago de Chile. Keine Zeitvorgabe der Rückkehr schränkt uns ein. Die Richtung ist ganz einfach mit nach Süden vorgegeben. Keine Streckenplanung, nur die Formulierung eines einfachen Zieles, Patagonien. Wir sind frei wie noch nie. Aber etwas fällt sofort auf, wir sind vollgepackt bis zum obersten Anschlag. Das zeigt ganz deutlich welche Anfänger wir doch noch sind. An alles haben wir gedacht, nur nicht daran, dass alles transportiert werden muss, Wasser und Nahrung noch zusätzlich Gewicht bringen. Die ersten Wochen sind geprägt von Gewichtstrennung: dieser Topf, jene Schuhe, eine Jacke, Reiseführer, T-Shirts, unnötige Kleinigkeiten usw. und so fort. Eine Auslese des möglichen Verzichtes beginnt und macht uns auch geistig leichter und für das Neue empfänglich.
Erst nach ein paar Wochen beginnen wir die Landschaft in uns aufzunehmen. Dann der große Schock, die Unendlichkeit des Nichts, eine Vorahnung der substanzlosen Weiten Patagoniens auf der argentinischen Seite. Leerraum, der keinen Halt gibt. Wir kehren so bald als möglich über die nach Süden hin niedriger werdenden Anden nach Chile zurück. Dreimal queren wir die Berge um doch zweimal wieder zurückzukehren in die gewohnten Distanzen und Kleinräumigkeit, bis wir bereit sind für das eigentlich wunderbare Nichts. Wegen dem beginnenden Herbst und den kühleren Temperaturen ändern wir die Richtung, es geht ab jetzt immer nach Norden, paradoxerweise trotzdem der Wärme entgegen.
Die Berge werden höher, die Täler tiefer und die Horizontale büßt gegenüber der Vertikalen beständig ein. Die ersten saftigen Anstiege sind zu bewältigen, jeder weitere Pass ist höher als der letzte. Wir rechnen nur noch in Höhenmetern und erklimmen die höchste Stelle unseres Lebens mit dem Rad aus eigener Kraft, den Abra del Acay, 4895 m über dem Meeresspiegel gelegen. Die körperliche und mentale Grenze reizen wir dabei fast aus. San Antonio de los Cobres, bestehend aus Staub und Wind, ist die Annäherung an ein neues vorweggenommenes Land, Bolivien. Wir treten ein in einen neuen Kosmos, symbolisch und real durch einen Tunnel aus Stein, in die sogenannte 3.te Welt. Die Versorgungslage ist deutlich eingeschränkt, aber wir haben mittlerweile gelernt mit wenig auszukommen und längere Strecken ohne Einkaufsmöglichkeiten zu bewältigen.
Die Einfachheit des Lebens erteilt auch uns seine Lektionen, macht uns stark und leidensfähig. Die Menschen freuen sich trotz ihrer Armut und eingeschränkter Möglichkeiten und strahlen mit ihrem Lachen. Brasilien, gesegnet mit den roten Böden, strebt nach oben und kann der Gier der Menschen perfekt dienen mit dem Raubbau am Amazonasurwald. Fleisch, Holz, Soja, Zuckerrohr, Palmöl und Orangen in unglaublich weiträumigen Monokulturen fressen eines der vielfältigsten Lebensräume dieser Erde und hinterlassen totes ausgelaugtes Land. Dieser Prozess beginnt mit der Kolonisation durch die Portugiesen, die ganze Küste zeugt davon mit Kolonialbauten und den Nachkommen schwarzer afrikanischer Sklaven, und setzt sich fort in die heutige Zeit der Globalisierung. Die gewaltigsten Wasserfälle der Erde, Foz de Iguazu, sind der letzte Höhepunkt. Nach 19456 km und 15 Monaten auf der Piste fliegen wir von Buenos Aires zurück in die sogenannte zivilisierte Welt, wir können ganz einfach keine neuen Eindrücke mehr aufnehmen.
Über diese Reise ist ein deutscher Zeitungsartikel erschienen, mit dem dem vielsagenden Titel
und eine Titelgeschichte in einer brasilianischen Tageszeitung mit der Überschrift
In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.
Augustinus Aurelius
Sei nicht Sklave einer Utopie, sondern Diener deiner Vision!
Markus Gastl
Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit andere Menschen zu beeinflussen, es ist die einzige.
Albert Schweitzer
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